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BVerfG-Vorlage: Fehlende Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften verfassungswidrig?

Mit Beschluss vom 10. April 2013 (BFH I R 80/12, BB 2013, 369) legte der I. Senat dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als hiernach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich ist.

Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 und 3 EStG können bei der Überführung von Wirtschaftsgütern die Buchwerte (nur) übernommen werden, wenn das Wirtschaftsgut unentgeltlich von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen, aus einem eigenen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt sowie zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen bei verschiedenen Mitunternehmerschaften überführt wird. Der Fall der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen beteiligungsidentischen Mitunternehmerschaft ist hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 und 3 EStG entspricht es daher, die stillen Reserven des Wirtschaftsgutes auch im Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften aufzudecken.

2. Vorgeschichte und Kontext der Vorlage

Die Frage der (fehlenden) Möglichkeit zur Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nach § 6 Abs. 5 EStG wird bereits seit langem hitzig diskutiert und führte sogar zum sog. „Zoff im BFH“ (vgl. Gosch, DStR 2010, 1173). So vertritt der I. Senats des BFH bereits mit Urteil vom 25. November 2009 (BFH I R 72/08, BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471) die Ansicht, die vom Gesetzgeber abschließend formulierte Regelung des § 6 Abs. 5 EStG lasse eine Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zu. Im Rahmen eines Beschlusses über die Ablehnung der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides vom 15. April 2010 trat der IV. Senat des BFH (BFH IV B 105/09, BFHE 229, 199, BStBl II 2010, 971) dem entgegen und sah sich bei seiner vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht daran gehindert, die zwingende Buchwertverknüpfung auf Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften auszuweiten.

a. Ansicht des I. Senats des BFH

Entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur (Wendt, FR 2002, 53, 64 f.; Kulosa, in: Schmidt, 32. Aufl., § 6 Rz 702) folgert der I. Senat des BFH (BFH I R 72/08, BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471) daraus, dass eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 EStG – auch in entsprechender Anwendung – nicht möglich sei. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeige, dass namentlich die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Schwestergesellschaft nicht in der von § 6 Abs. 5 EStG angeordneten Weise geregelt werden sollte. An diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers seien die Gerichte gebunden. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften könne zudem nicht als Überführung „von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen“ (§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG) gewertet werden. Aufgrund der beschränkten Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft sei das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft als ein von den Betriebsvermögen der Mitunternehmer zu unterscheidendes Betriebsvermögen zu verstehen.

b. Ansicht des IV. Senats des BFH

Der IV. Senat des BFH (BFH IV B 105/09, BFHE 229, 199, BStBl II 2010, 971) sah sich hingegen zur Vermeidung eines Gleichheitssatzverstoßes berechtigt und verpflichtet, § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zu erstrecken. Letztlich werde das Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Gesellschafters überführt (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG), da jedem Gesellschafter auch sein Anteil an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zuzuordnen sei. Da nur die Mitunternehmer einer Personengesellschaft Steuersubjekt im Rahmen der Einkommensteuer seien, müsse die Personengesellschaft insofern transparent betrachtet werden.

c. Rechtliches Kernproblem

Im Kern geht es bei dem „Zoff im BFH“ daher letztlich um die höchst umstrittene Beurteilung der Reichweite der sog. „partiellen Steuerrechtsfähigkeit“ von Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht. Während der I. Senat infolge einer strengen „Einheitsbetrachtung“ (Trennung der Betriebsvermögen von Personengesellschaft und Gesellschafter) namentlich eine Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ablehnt, neigt der IV. Senat stärker zu einer „Vielheitsbetrachtung“ (Zuordnung der stillen Reserven des Betriebsvermögens zu den Gesellschaftern) und gelangt so zur Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG.

3. Inhalt der BVerfG Vorlage

Mit dem Beschluss vom 10. April 2013 (BFH I R 80/12, BB 2013, 369) setzt der I. Senats des BFH seine Linie fort, indem er seine – von der „Einheitsbetrachtung“ geprägte – Auffassung bestätigt, nach der eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu Buchwerten weder gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 oder 3 EStG noch in Analogie zu § 6 Abs. 5 Satz 1 oder 3 EStG nach geltendem Recht möglich sei.

In dieser fehlenden gesetzlichen Möglichkeit einer Buchwertfortführung bei Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften sieht der I. Senat nunmehr aber einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Aus Art. 3 Abs. 1 GG resultiert das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach müssen Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit grundsätzlich auch gleich hoch besteuert werden. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung zudem folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.

Der Gesetzgeber verletze durch die geltende Regelung ohne ersichtliche Rechtfertigung seine Verpflichtung zu einer solchen folgerichtigen Ausrichtung des Einkommensteuerrechts an dem Prinzip einer Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Der Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften sei wesentlich gleich mit dem in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG geregelten Fall der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, die folgerichtig zu Buchwerten möglich ist. Der einzige Unterschied bestehe in dem Zusammenschluss mehrerer natürlicher Personen zwecks gemeinsamer Einkünfteerzielung. Dieser Unterschied spiele aber hinsichtlich der Frage, ob die gesetzgeberische Grundentscheidung auch in diesem Fall eine Buchwertübertragung gebietet, keine Rolle. Denn die bei Ausscheiden eines Wirtschaftsguts erzielten Gewinne würden den Gesellschaftern vor und nach der Übertragung in gleicher Weise anteilig zugerechnet, so dass die Besteuerung der stillen Reserven durch die Übertragung nicht gefährdet werde. Weder komme es zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, noch sei die Gefahr einer späteren unbemerkten Entstrickung erhöht. Nicht nachvollziehbar sei zudem die unterschiedliche Behandlung zu den ausdrücklich in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG genannten Fällen der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Rechtsträgern.

4. Auswirkungen der Entscheidung und Gestaltungsempfehlung

Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob und wie das BVerfG die vorgelegte Rechtsfrage entscheiden wird. Dabei ist vorab völlig offen, ob es sich im Ausgangspunkt der „Vielheitsbetrachtung“ des IV. Senats des BFH oder der „Einheitsbetrachtung“ des I. Senat des BFH anschließen wird. Nur wenn das BVerfG mit dem vorlegenden I. Senat des BFH von einer Unanwendbarkeit des § 6 Abs. 5 EStG bei Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften ausgeht, wird es entscheiden müssen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen den durch den Folgerichtigkeits- und den Leistungsfähigkeitsgrundsatz konkretisierten Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.

Aktuelle Fälle sollten unter Verweis auf das anhängige Verfahren beim BVerfG offengehalten werden. Aufgrund der Vorlage durch den I. Senat des BFH besteht zumindest die Hoffnung, dass Wirtschaftsgutübertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften künftig zu Buchwerten ohne Aufdeckung stiller Reserven möglich sein werden. Bis zur Entscheidung des BVerfG bleiben die bisherigen Ungewissheiten aber bestehen. Infolge dessen ist derzeit noch davon abzuraten, im Rahmen von Umstrukturierungen Wirtschaftsgüter zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zu übertragen.

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